Vermaechtnis - Erbe der Gefallenen by Nadja Seiler

Vermaechtnis - Erbe der Gefallenen by Nadja Seiler

Autor:Nadja Seiler [Seiler, Nadja]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Paranormal
veröffentlicht: 2013-12-30T23:00:00+00:00


Geist der Liebe

Langsam streiche ich über mein noch wunderbar geflochtenes Haar, das lang und weich über meine Schulter fällt. Braun ist es, grün sind meine Augen, die sich so leicht und klar im Fluss spiegeln, schneeweiß glitzert meine blasse Haut und hinter mir thronen die reinen, prächtigen Schwingen. Mich zeichnet kein Makel bis auf die kleine Narbe am Flügel, die mich ebenso einmalig macht wie mein fraulicher, athletisch gebauter Körper, den ich so liebe, wie er ist. Ganz ohne Fehler. Die Seraphim haben recht, ich darf mich nicht verlieren, mein Ich ist zu wertvoll. Wie konnte ich nur meine Erziehung vergessen, was mich Großvater mit größter Sorgfalt lehrte? Dass mein Leben etwas Besonderes ist, mehr noch als der Adel oder das magische, seltene Blut? Dass ich den Zauber in die Herzen der Engel bringe? Dass ich Vorbild und Zuflucht bin? Dass ich meinen Kopf nie sinken lassen darf, stets hoch erhoben, gerade und edel? Schande über mich. Wach erhebe ich mich, wecke Lyra und setze sie behutsam auf meine Schulter. Liebevoll blinzelt sie mir mit ihren großen Augen zu und ich drücke sie sanft gegen meinen Hals.

Da Askiviel nicht mehr in der Höhle ist, folge ich dem noch nicht lange zerdrückten Gras. Ein kleiner Pfad führt entgegen des Flusslaufes in den Wald hinein. Als ich eine kleinere Lichtung erkennen kann, schon von fern vernehme ich das Rauschen eines Wasserfalls, werde ich langsam und lege mir den Finger auf die Lippen, Lyra versteht und atmet leiser als zuvor. Vorsichtig schleiche ich näher an die Lichtung, ein kleiner Abhang trennt mich von ihr. Das dichte Gebüsch bietet mir Schutz und ich sehe auf eine sandige Fläche hinab, die heftig staubt unter Askiviels sonderbar nassem Körper. Die Rüstung hat er abgelegt, nur wenig Stoff bekleidet seine Haut. Das hellblonde, halblange Haar klebt nass an seiner Stirn und ich muss lächeln, weil ich ihn zum ersten Mal ohne Locken sehe. Vorsichtig lege ich mich zu Boden, setze Lyra neben mich und lächele ihr zu. Während der Seraphim weiterhin mit der weißen Klinge übt, versuche ich vergeblich einen Fehler in seinen Angriffen und Bewegungen zu finden, die so geschmeidig scheinen, als sei er nicht verletzt. Nur daran, dass seine drei rechten Flügel kraftlos herab hängen, kann ich nachvollziehen, dass Noel meinte, es wäre ihm mit Sicherheit unmöglich, zu fliehen.

Zart und leicht gleiten seine Schritte über den Boden, lautlos führt er gezielte Schläge aus und scheint keinerlei Anstrengung zu verspüren. Seine definierten Muskeln sind zum Zerreißen gespannt, jede noch so kleine Bewegung ist bis ins Detail kontrolliert. Heftig atme ich aus und kann noch immer nicht glauben, dass ich ihm noch vor wenigen Stunden so nahe war. Schnell steigt mir eine geheimnisvolle Hitze zu Kopf, die mich nicht wieder verlassen will. Kleine Tropfen spiegeln das Licht der aufgehenden Sonne, als würde seine Haut nicht schon zu genüge glänzen. Fasziniert sehe ich ihm zu, kann meinen Blick gar nicht mehr abwenden, der wie magisch an ihm klebt und bemerke, dass seine fließenden Bewegungen ein wenig nachlassen, je wärmer es wird.



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